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22 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegswird Luxemburg am 10. Mai 1940 von den Deutschen besetzt. Dem Großherzogtum sollte damit eine der schwersten Zeiten seit seinem Bestehen bevorstehen.

Großherzogin Charlotte und die Luxemburger Regierung hatten ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Sie gingen ins Exil. Zunächst aber bedeutete die deutsche Besatzung das Ende der luxemburgischen Unabhängigkeit. Im Juli-August 1940 wurde Luxemburg deutscher Verwaltung unterstellt. Der Gauleiter des Gaus Koblenz-Trier Gustav Simon wurde zum Chef der Zivilverwaltung ernannt.

Ihm oblag die gesamte Verwaltung im eroberten Luxemburg. Er unterstand Adolf Hitlerunmittelbar und erhielt von ihm allgemeine Weisungen und Richtlinien. Von Anfang an zielten die von ihm getroffenen Maßnahmen auf die Annexion Luxemburgs an das Reich sowie auf die Germanisierung der Bevölkerung ab. Sämtliche luxemburgischen Staatsstrukturen wurden abgeschafft. Die Verwendung des Französischen wurde verboten. Mit großem Propagandaaufwand wurde versucht, die Luxemburger für das Naziregime zu gewinnen, doch stießen die Bestrebungen der Besatzungsmacht auf Ablehnung.

Bei einer Volkszählung 1941antwortete die Mehrheit auf die drei entscheidenden Fragen nach Staatsangehörigkeit, Volkszugehörigkeit und Muttersprache mit „luxemburgisch“. Dieses Ergebnis war Ausdruck des Widerstands der Bevölkerung gegen die Besatzungsmacht.

Am 30. August 1942 ging der Okkupant noch weiterund führte in Luxemburg, ebenso wie im Elsass und in Lothringen, die Wehrpflicht ein. Diese Maßnahme führte zu Streiks in fast allen Teilen des Landes. Die deutschen Behörden reagierten mit der Verhängung des Standrechts und ließen 21 Streikende erschießen. Insgesamt wurden 10.211 Luxemburger für die Wehrmacht zwangsrekrutiert. Mehr als ein Drittel weigerte sich, die deutsche Uniform zu tragen, und tauchte unter. Die Besatzungsmacht reagierte mit Terror: Inhaftierungen in Konzentrationslagern, Exekutionen und Deportationen in den Osten des Deutschen Reiches.

Insgesamt wurden 3.705 Personen, 1.398 Männer, 1664 Frauen und 644 Kinder aus Luxemburg nach Deutschland umgesiedelt. Ihr Vermögen wurde der Deutschen Umsiedlungs-Treuhandgesellschaft zur Verfügung gestellt. An Stelle der Umgesiedelten kamen Reichsdeutsche nach Luxemburg, die zur Festigung des deutschen Volkstums in Luxemburg in beitragen sollten. In Luxemburg Insgesamt wurden 1.415 deutschstämmige Personen aus Bosnien, Kroatien, Südtirol, Siebenbürgen und dem Buchenland in Luxemburg angesiedelt.

30. Juni 1943: Ankunft der Familie Lommer-Schaack im Umsiedlungslager Schlauphof in Schlesien. Stehend: ganz links: Ed Lommer, Mitte Madame Lommer, ganz rechts: Aloyse Lommer. Sitzend 2,3 und 4 von links: Maria, Anna und Léonore Lommer.

Anfangs Oktober 1941 sollte die Einberufung zum obligatorischen Arbeitsdienst von Josy Lommer aus Alscheid sein, so der Stellungsbefehl. Misch Aubart aus Kautenbach und Josy Lommer taten so als sie dem Stellungsbefehl Folge leisten würden. Sie versteckten sich in der Umgebung. Beim herannahen des Winters zogen sie sich in ihre Elternhäuser und in andere Verstecke zurück. Deshalb gingen die beiden Freunde nun getrennte Wege.

Es dauerte nicht lange bis die Polizei zur Familie Lommer kam, um nach ihrem Sohn zu fragen. Für die Familie Lommer begann nun eine schwere Zeit. Sie galt fortan als „deutschfeindlich“.

Im Stall wurde ein Bunker ausgegraben. Der Eingang war neben dem Deckstier. Und der kannte nur seine Futterleute und ließ keine fremden Leute an sich heran. Monatelang war Josy bei seiner Familie versteckt. Die Polizei zeigte sich öfters in Alscheid und sprach dann auch bei Familie Lommer vor.

Im Sommer 1942 bekam Josy Gesellschaft: Der Priester Alois Krier aus Merkholtz war der Gestapo ein Dorn im Auge und sollte verhaftet werden. Er konnte flüchten und versteckte sich nun auch im Hause Lommer. Das Nötigste zum Abhalten einer Messe wurde heimlich zum Hof transportiert und der Priester hielt die Messe in einem Zimmer oder in der Scheune. Etwas später wechselte Priester Alois Krier nach Merkholtz in ein anderes Versteck.

Bei seinen täglichen Arbeiten im Geheimen verletzte sich Josy einmal an der Hand. Seine Wunde musste unbedingt behandelt werden. Doktor Bové aus Wiltz behandelte den Kranken und brachte ihn wieder auf die Beine. Um die Arztbesuche glaubhaft zu machen, mussten gesunde Familienmitglieder als Kranke herhalten. Irgendwie müssen aber diese Krankenbesuche suspekt gewesen sein, denn am 18. März 1943 war die Polizei wieder auf dem Hof. Das Haus wurde durchsucht und alles wurde durchstöbert. Josy hatte mit knapper Not das Versteck barfuß erreicht und wurde nicht gefunden.

Nun hatte Josy keine Ruhe mehr im Elternhaus. Er wollte seine Familie nicht länger in Gefahr bringen. Abends setzte er sich auf sein Fahrrad und fuhr nach Sassel zu den Verwandten Neumann-Schaack. Nach 10 Tagen wechselte er in das Haus Kergen-Schroeder. Hier blieb er nun bis zu seinem 23. Geburtstag am 6. Dezember 1943. An diesem Abend wurde er über die belgische Grenze geleitet.

Beim Transport nach Biwisch, wo es über die Grenze gehen sollte, waren auch Batty Mutsch, Aloyse Dupont und Henri Wenkin dabei. An diesem Abend wurde Josy Lommer von Aloyse Kremer über die Grenze gebracht. Im Morgengrauen, nach einer gefährlichen Nacht, kamen sie im Gehöft eines Bauern vor Limerlé an.

Aloyse kehrte nach Biwisch zurück und Josy ruhte sich im Stall von den Strapazen aus. Im Laufe des Nachmittags kam ein neuer Verbindungsmann und beide fuhren mit dem Fahrrad nach Bourcy, das sind etwa 12 Kilometer. Hier erhielt Josy einen belgischen Pass und hieß nun Joseph Leroy. Er durfte nur noch französisch reden, nie ein Wort in deutscher Sprache.

Hof Lommer in Alscheid (1942)

Bei einer Kontrolle der Feldgendarmerie spielte er seine Rolle sehr überzeugend und durfte weiter. Mit seinem Guide Pierre Schon fuhr er mit dem Rad nach Bastnach und dann weiter nach Marloie.

Hier wohnte Jean Boever,Viehhändler von Beruf. Er half vielen bedrängten Flüchtigen. So auch Josy Lommer; Jean Boever brachte Josy auf einen Hof nach Roy. Am 18. März1944 geleitete Jean Boever Josy nach Han-sur-Lesse in das Haus Petry. Hier bekam Josy Kontakt mit der regulären belgischen Armee im Untergrund.

Am 10. Juni wurde er mit noch anderen Flüchtigen als Mitglied aufgenommen und gehörte nun zur „Armée Belge en Campagne, Zone5, Secteur5“. Sie kämpften aktiv gegen die sich zurückziehenden deutsche Truppen.

Nach der Befreiung am 13. September wurden alle von den belgischen Kameraden mit Armeefahrzeugen nach Luxemburg zurückgebracht. Auf dem Hof Lommer in Alscheid ist alles durcheinander, alles was nicht niet-und nagelfest war ist weg.

Seine Familie war noch immer im Umsiedlungslager. Am 30 Juni 1943 waren seine Eltern und Geschwister nach Schlauphof in Schlesien umgesiedelt worden. Mit sechs Umsiedlungszügen wurden rund 300 Luxemburger ab dem 23. Juni 1943 nach Schlauphof, etwa zwölf Kilometer von Liegnitz entfernt, überführt. Sie waren bei dem NS-Regime auf irgendeine Weise auffällig geworden und wurden daher zur „Germanisierung“ ins Nazireich verbannt. Eine Rückkehr in ihre Heimat war nicht vorgesehen. Im „Merkblatt für Umsiedler“ stand u.a. Folgendes geschrieben: „Sie (die Umsiedlung) bezweckt die Sicherung des politischen und des Arbeitsfriedens in diesem Grenzland des Reiches und betrifft nur jenen kleinen Personenkreis, der gesinnungsmäßig nicht als zuverlässiges Element unseres Volkstums an der Grenze angesehen werden kann. Die Umsiedlung stellt keine Strafmaßnahme dar, sie bietet der einzelnen Umsiedlerfamilie die Möglichkeit, im deutschen Reich sesshaft, und dort zu vollwertigen Bürgern des Reiches zu werden.“

In dem alten Zisterzienserkloster mussten sich bis zu 50 Personen die unterschiedlich großen Zimmer teilen. Erst nach einer dreiwöchigen Lagersperre wurde den arbeitsfähigen Lagerinsassen Arbeit zugewiesen. Während ein Teil von ihnen in den „Gemawerken“ arbeiteten, einem Geheimbetrieb in Wahlstatt, , kamen kleinere Gruppen bei der Liegewitz-Rawitscher-Eisenbahn zum Einsatz oder hatten sogar einen Posten als Schreiber bei der Polizei inne. Ältere Männer arbeiteten indes auf den Zuckerrübenfeldern und den Kindern wurde sogar der Schulbesuch ermöglicht. Während der sechsmonatigen Lagerzeit erblickten zwei neue Erdenbürger das Licht der Welt, ein Bewohner starb und zwei Insassen gelang die Flucht. Die Flüchtlinge gelangten glücklich wieder in die Heimat. Das Lager 112 in Schlauphof, Niederschlesien wurde 1944 aufgelöst. Anfang Juli 1945 kam die Familie Lommer aus der Umsiedlung zurück und die Familie war wieder in Alscheid zusammen.

Pierre Kergen aus Sassel hat die Erlebnisse von Josy Lommer in seinem Buch „Kriegserinnerungen“ ausführlich niedergeschrieben.

Quellen:
- Jean Milmeister - Die Ardenenschlacht
- Fritz Rasqué - Das Ösling im Krieg
- Joseph Mäertz - Luxemburg in der Ardennenoffensive

Fotos:

No Uewen